01.04.2024 | Philipp Krammer | NKVB | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Unabhängig von der Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Streiks im kommunalen ÖPNV, die explizit nicht Gegenstand dieses Beitrags sein sollen, sind bei den kommunalen Verkehrsunternehmen unterschiedliche Herangehensweisen zu beobachten. Während in manchen Städten der Verkehr mit Stadtbussen und Straßenbahnen vollständig eingestellt wird, fahren in anderen Städten Subunternehmen, die im Auftrag des kommunalen Verkehrsunternehmens eingesetzt werden und nicht von den Streikmaßnahmen betroffen sind, weiter. Gerade bei der Frage, welchen Verkehr die Subunternehmen an Streiktagen gewährleisten, stellt die NKVB bestehende Konzepte vor und schließt den Beitrag mit einem innovativen Ansatz ab.
Streikmaßnahmen und Betroffenheiten für Fahrgäste
Und täglich grüßt das Murmeltier, mag sich der eine oder andere Fahrgast denken, wenn es im kommunalen ÖPNV mal wieder zum Arbeitskampf kommt und streikbedingt das Vorankommen mit öffentlichen Verkehrsmitteln stark erschwert bis unmöglich ist. Die individuellen Folgen der betroffenen Fahrgäste stellen sich dabei sehr unterschiedlich dar. In vielen Haushalten spielt der ÖPNV ohnehin nur eine unterstützende Rolle für die Alltagsmobilität, sodass Kinder etwa von der Schule oder Freizeitaktivitäten mit dem Auto abgeholt werden müssen und nicht den Bus nutzen können. In anderen Haushalten sind die negativen Folgen durch die Möglichkeiten des Mobilen Arbeitens auch stark eingeschränkt. Wir gehen jedoch davon aus, dass insbesondere die Schwächsten der Gesellschaft - beispielsweise Personen ohne Führerschein und ohne Freunde oder Verwandte mit Führerschein oder eigenem Auto, die sich in prekären Arbeitsverhältnissen befinden - ungleich stärker betroffen sind. Streikmaßnahmen können in solchen Fällen individuell drastische Folgen bis hin zum Arbeitsplatzverlust haben. Und zuletzt schadet ein ausbleibender ÖPNV logischerweise auch dem gesamten öffentlichen Verkehrssystem, denn je öfter Fahrtausfälle auftreten, desto unzuverlässiger wird das öffentliche Mobilitätsangebot und desto unwahrscheinlicher werden sich Haushalte von der "Mobilitätsgarantie Pkw" - die auch an Streiktagen zur Verfügung steht - trennen. Natürlich ignorieren die bisherigen Ausführungen, dass es beim Arbeitskampf um anderweitige Interessen der Belegschaften geht und Streiks als Mittel absolut legitim sind. Die Notwendigkeit von Streiks soll deshalb trotz der individuell drastischen Folgen nicht in Frage gestellt werden.
Ein Nachtbus bei Tag | Foto: Philipp Krammer
Es gibt allerdings einen ganz entscheidenden Hebel, mit dem die Streikfolgen für Fahrgäste abgemildert werden können: die Leistung der von den kommunalen Verkehrsunternehmen beauftragten privaten Subunternehmen. Natürlich gilt das nicht für kommunale Verkehrsunternehmen, die keine Subunternehmen einsetzen. Da aber meist ein Teil der Verkehrsleistung von Subunternehmen erbracht wird, steht diese Möglichkeit in der Regel zur Verfügung. Der Umstand, dass die Belegschaften von kommunalen Verkehrsunternehmen einem gesonderten Tarifvertrag unterliegen, führt zudem zu einer nur minimalen Wahrscheinlichkeit zeitgleicher Streiks von öffentlichen und privaten Verkehrsunternehmen. Mit dem Leistungsvolumen der privaten Busunternehmen kann also trotz Streiktagen eine gewisse Verkehrsleitung aufrechterhalten werden.
Bestandsanalyse – welche Leistungen fahren Subunternehmen an Streiktagen?
Betrachtet man die Fahrpläne öffentlicher Verkehrsbetriebe an Streiktagen, lassen sich mehrere Grundtypen von Vorgehensweisen feststellen. Ein Teil der Verkehrsbetriebe stellt beispielsweise den Betrieb komplett ein, wodurch auch die Busse der eigentlich nicht streikenden privaten Busunternehmen in ihren Depots bleiben und die Fahrgäste - von innerstädtischen SPNV-Angeboten abgesehen - auf sich allein gestellt sind.
Andere gehen den planerisch einfachsten Weg und die Subunternehmen fahren einfach ihre Leistung wie an einem Tag ohne Streik. Dies führt zu einem geringen Aufwand für die Fahr- und Dienstplaner der Unternehmen und das Fahrpersonal der privaten Busunternehmen muss sich auch nicht auf neue Routen oder Linien umstellen. Aus Fahrgastsicht ergibt sich jedoch ein sehr unausgewogenes Bild. In Stadtbereichen, in denen viele Subunternehmer fahren, sind die Streikfolgen möglicherweise kaum oder gar nicht zu spüren. Andere Stadtteile hingegen haben keinerlei ÖPNV-Angebot und spüren den Streik umso drastischer. Besonders fragwürdig ist dieser Ansatz, wenn Linien mit einer starken Zubringerfunktion zu weiterführenden Linien ohne Einschränkungen fahren, es aber am Umsteigeknoten keine Verbindungen ins Zentrum gibt.
Eine weitere Möglichkeit wird von einigen Unternehmen genutzt, die für den Nachtverkehr ein separates Nachtnetz betreiben. Derartige Nachtbusnetze zeichnen sich in der Regel durch vergleichsweise geringe Taktfrequenzen, die Inkaufnahme von umwegigen Linienführungen und die Nichtwahrnehmung aller Feinerschließungsaufgaben aus und stellen somit eine wirtschaftlich optimierte Grunderschließung des Stadtgebietes sicher. Meist reicht die Leistung der Subunternehmen aus, um dieses Nachtbusnetz auch während Streiktagen tagsüber sicherzustellen. Dadurch kann die Leistung relativ gleichmäßig und fair über das Stadtgebiet verteilt werden und die Last des Streiks kann ebenfalls gleichmäßig über das Stadtgebiet verteilt werden. Auch wenn die Linien ggf. umwegiger geführt werden, die Fußwege zur nächsten Haltestelle länger sind und die Taktfrequenzen reduziert sind, besteht trotz Streik eine gewisse Grundversorgung über das Stadtgebiet hinweg. Während sich dieses Verfahren in einigen Städten längst etabliert hat, wird es von anderen Städten abgelehnt. Als Ablehnungsgrund wird oft das im Vergleich zum Nachtverkehr höhere Verkehrsaufkommen an Streiktagen genannt, wodurch die Fahrplanzeiten der Nachtlinien nicht eingehalten werden könnten.
Ein weiterer Ansatz besteht darin, an Streiktagen den Betrieb auf den ÖPNV-Hauptachsen der Stadt aufrechtzuerhalten – was in den meisten Fällen den jeweiligen Straßenbahn-, Stadtbahn- oder U-Bahn-Linien entspricht. In diesen Fällen wird also die Subunternehmerleistung auf einen Art Schienenersatzverkehr entlang der Hauptachsen konzentriert, wobei hier teilweise auch relativ dichte Taktfrequenzen angeboten werden. Dieser Ansatz scheint im Vergleich zur Übertragung der Nachtlinien auf den Tagesverkehr an Streiktagen diametral unterschiedlich zu sein: Es soll eher keine flächendeckende Erschließung des Stadtgebietes erfolgen, sondern vielmehr auf Achsen mit der höchsten Nachfrage und damit den meisten betroffenen Fahrgästen ein dichter Verkehr etabliert werden. Ein Ansatz, dem durchaus auch einiges abzugewinnen ist.
Conclusio – Fahrplankonzepte an Streiktagen haben eine große Bedeutung
Die Vorstellung der verschiedenen Ansätze zeigt, dass es unterschiedliche Lösungen gibt. Es stellt sich allgemein die Frage, ob allen Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen die Relevanz dieses Themas bewusst ist. Es spricht vieles dafür, sich hierzu vertiefende Gedanken zu machen. Wie viel Subunternehmerleistung gemessen in Fahrzeugen, Fahrpersonalstunden und Kilometern steht in den jeweiligen Tagesarten Schultag, Ferientag, Samstag und Sonn- und Feiertag zur Verfügung? Welche Subunternehmen verfügen in welchen Stadtteilen über ausreichende Streckenkenntnisse? Welche Gefäßgrößen werden von den einzelnen Unternehmen eingesetzt und bieten sich für welche streikbedingten Sonderverkehre an? Wie kann die Verkehrsleistung optimal eingesetzt werden, um der Stadtbevölkerung eine ÖPNV-Grundversorgung zu gewährleisten? Die dargestellten Ansätze können hierbei als Denkrichtungen fungieren, lassen sich jedoch verschiedentlich variieren oder kombinieren. Ggf. kann das Nachtbus-Netz aufrechterhalten werden, allerdings im Berufsverkehr mit der doppelten Taktfrequenz? Oder vielleicht ist eine Art "Schienenersatzverkehr" möglich, bei dem noch weitere Ergänzungslinien betrieben werden können. Oder macht in Bezug auf die verkehrliche Situation einer Stadt ein komplett vom übrigen Verkehr unabhängiges "Streiknetz" Sinn? Natürlich ist eins klar: Die wenigsten Verkehrsverträge mit Subunternehmen haben klare Regeln für abweichende Linieneinsätze an Streiktagen, so dass entsprechende Sonderfahrpläne recht abstimmungsintensiv sein können. Allerdings muss man sich vor Augen halten: Streiktage sind keine Einzelfälle! Tarifverhandlungen finden regelmäßig statt und Arbeitskämpfe treten in etwa alle ein bis zwei Jahren auf. Wäre es nicht klug, an Streiktagen ein optimales Fahrplankonzept in der Schublade zu haben, das sich bei Fahrgästen und Subunternehmen bewährt hat? Natürlich könnte man noch einen Schritt weiter gehen: Die Ausschreibungsunterlagen für die nächste Subuntervergabe könnten einen eigenen Abschnitt enthalten, der den Verkehr an Streiktagen regelt und einen Fahrplan für die Verkehrserbringung an Streiktagen enthält. Selbstverständlich sollte die Fahrplanleistung an Streiktagen in Bezug auf die Leistungsvolumina (Fahrzeuge, Fahrplanminuten und Kilometer) sehr ähnlich zu einem Verkehrstag ohne Streik sein.
NKVB bietet Unterstützung
Sollten wir Sie als Vertreter eines Aufgabenträgers oder eines kommunalen Verkehrsunternehmens überzeugt haben, bieten wir gerne Unterstützung an. Die Planer der NKVB arbeiten sich schnell und mit Leidenschaft in neue Verkehrsgebiete ein. Gemeinsam mit Ihnen erarbeiten wir ein Fahrplankonzept für eine ÖPNV-Grundversorgung an Streiktagen, stimmen dies mit den Subunternehmen ab und helfen Ihnen auch gerne bei den Vergabeunterlagen für die nächste Subunternehmervergabe, wenn dort bereits der Betrieb an Streiktagen festgeschrieben sein soll. Bei Bedarf unterstützen wir Sie auch gerne mit Texten für Presse oder Social Media, liefern Vorlagetexte für eine kommunale Gremienbefassung oder stehen bei Veranstaltungen als Referenten zur Verfügung und leisten Überzeugungsarbeit. Wir freuen uns darauf, die streikbedingten Folgen für Ihre Fahrgäste in Zukunft so niedrig wie möglich zu halten!
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